2. Teil der
Auszüge der Zeitschrift
Kampagne aktuell (Ausgabe 1/01-April),
S. 15-24
Gemeinsame
Konferenz
Kirche
und Entwicklung
Rüstungsexportbericht
2000 der GKKE
Vorgelegt
von der GKKE-Fachgrupppe Rüstungsexporte
6.Trends in der europäischen
Rüstungsexportpolitik
6.1 Seit den
frühen neunziger Jahren findet eine zunehmende Konzentration der europäischen
Rüstungsindustrie statt. Dieser Prozess vollzieht sich in Form von
internationalen Übernahmen, Zusammenschlüssen, Joint Ventures,
Konsortien sowie des zunehmenden Rückgriffs auf im Ausland produzierte
Komponenten und Subsysteme. Die fortgesetzte Transformation der Rüstungsindustrie
ist eine Reaktion auf noch immer bestehende Überkapazitäten und
die Notwendigkeit, kostengünstiger zu produzieren (aufgrund der gesunkenen
Nachfrage im In- und Ausland, der starken Konkurrenz anderer Anbieter sowie
des Angebots gebrauchter, aber noch zeitgemäßer Waffen).Trotz
bereits erfolgter Schritte in Richtung Rationalisierung und Konversion
behindert die im Vergleich mit den USA fragmentierte Struktur der europäischen
Rüstungsindustrie deren Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Exemplarisch
genannte Entwicklungen signalisieren hier einen Kurswechsel:
-
(1) So schlossen sich, nach Zustimmung der
Europäischen Kommission im Mai 2000, die Rüstungsunternehmen
Daimler-Chrysler Aerospace (DASA), Aèrospatiale Matra, Construcciones
Aeronauticas (CASA) zur EADS (European Aeronautic Defence and Space Company)
zusammen. Dem war die nationale Konzentration der deutschen Luftfahrtindustrie
vorausgegangen. Durch die vorgesehene Gründung eines Joint Ventures
zwischen EADS und der italienischen Alenia Aeronautica, einer Tochter von
Finmeccanica, soll der Einfluss des Unternehmens noch vergrößert
werden. Mit der EADS und dem 1999 durch den Zusammenschluss von British
Aerospace und Marconi Electronic Systems geschaffenen BAe Systems entstanden
die beiden größten Rüstungskonzerne Europas.
-
(2) Im Bereich des Schiffbaus wurde 1999 der
Zusammenschluss zwischen HDW und dem schwedischen Kockums Naval Systems
entschieden; bei den Landsystemen hat sich Rheinmetall durch nationale
und internationale Aufkäufe vergrößert. Insgesamt hat dieser
Europäisierungsprozess die Struktur der deutschen Rüstungsindustrie
grundlegend verändert, so dass eine nationale Industrie, wie auch
in anderen westeuropäischen Staaten, nicht mehr klar abgegrenzt werden
kann.
6.2 Diese
Prozesse haben zur Folge, dass das Produktionsland nicht mehr eindeutig
identifiziert werden kann und es somit noch schwieriger ist als bisher,
nationale Anteile am weltweiten Waffenhandel zu bemessen. Kaum nachvollziehbar
ist gegenwärtig die Zulieferung von Subsystemen und Komponenten, die
öffentlich verfügbare Statistiken nicht erfassen. Auch innerhalb
von Zusammenschlüssen und Joint Ventures sind die Ursprungsländer
einzelner Teile eines Waffensystems oft schwer nachprüfbar. Relevante
Informationen lassen sich im allgemeinen nur den einschlägigen Fachzeitschriften
entnehmen, nicht aber regierungsoffiziellen Angaben.
Der französische Panzer LECLERC wurde
für den Export in die Vereinigten Arabischen Emirate mit einem deutschen,
von MTU gefertigten Motor ausgerüstet. Die Ausfuhr dieser Schlüsselkomponente
wird aber in den verfügbaren Statistiken, wenn überhaupt, nur
unter deutschen Ausfuhren nach Frankreich erfasst. Auch das schwedische
Kampfflugzeug GRIPEN enthält neben britischen, amerikanischen, schwedischen
und im Lizenzbau in Polen hergestellten auch deutsche Teile. Diese Teile
werden, integriert in das Kampfflugzeug, als schwedischer Export erfasst
und finden sich somit nicht in deutschen Rüstungsexportstatistiken.
6.3 Die Europäisierung
der Rüstungsproduktion hat die Rahmenbedingungen der Exportpolitik
grundlegend verändert. Europäische Regierungen sind unter Zugzwang
gekommen, ihre Regelwerke für die Rüstungsexportpolitik an diese
veränderte Realität anzupassen. Da Rüstungsgüter heute
im allgemeinen international hergestellt werden, können auch Exportentscheidungen
nicht mehr auf rein nationaler Ebenen getroffen werden. Vor diesem Hintergrund,
unter dem Druck der Industrie, die auf eine Harmonisierung auf niedrigem
Niveau drängt, sowie nicht zuletzt durch das Einwirken von NG0s, die
gemeinsame restriktive, effektive und überprüfbare Regelungen
fordern, wurde im Juni 1998 der EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte
beschlossen (für eine ausführliche Analyse vgl. GKKE-Rüstungsexportbericht
1999).
Dies gibt zu folgenden Kommentierungen
Anlass:
-
a) Die Fachgruppe Rüstungsexporte begrüßt,
dass erstmals im September 1999 ein Bericht über die Umsetzung des
Kodex veröffentlicht wurde und dies regelmäßig fortgesetzt
werden soll. Daraus ist ersichtlich, dass die EU-Mitgliedstaaten sich intensiver
als zuvor über ihre Rüstungsexporte austauschen und untereinander
abstimmen. Leider enthält der erste Bericht kaum aussagekräftige
Daten und erlaubt nicht zu beurteilen, wie der EU-Kodex von den einzelnen
Mitgliedstaaten interpretiert und konkret umgesetzt wurde. So wird beispielsweise
zwar die Anzahl der Genehmigungsverweigerungen genannt, aber es fehlen
Angaben über Anzahl, Kategorie und Typ der erfassten Rüstungsgüter,
über abgelehnte Empfängerländer und über die Kriterien,
auf denen die Ablehnung beruhte. Dass dies möglich ist, zeigt der
niederländische Rüstungsexportbericht für 1999, der für
jede Genehmigungsverweigerung diese Angaben enthält (siehe Ziffer
4.4).
-
b) Ob die Genehmigungsverweigerung eines EU-Mitgliedstaates
von einem anderen unterlaufen wurde (das sogenannte „undercutting“), wird
nicht bekannt gegeben. Zwar wird die Zahl der Konsultationen benannt, die
erfolgten, wenn dies beabsichtigt war. Aber die wichtigste Information
in diesem Zusammenhang, nämlich das Ergebnis dieser Konsultationen,
fehlt.
-
c) Zudem enthält der EU Bericht keine
detaillierten Angaben zu den Genehmigungen, die von den Staaten erteilt
wurden, sondern nennt lediglich das Gesamtvolumen der Exporte und die Gesamtzahl
der erteilten Genehmigungen für jeden EU-Mitgliedstaat. Transparenz
erfordert jedoch die Veröffentlichung von Stückzahlen, Kategorie
und Typ der gelieferten Waffen und Komponenten, Empfänger, Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses und der Lieferung sowie Finanzierungsbedingungen,
u.a. Bürgschaften.Während nationale Berichte mehr oder weniger
detaillierte Informationen zumindest zu einigen dieser Elemente liefern,
verharrt der EU-Bericht auf einem niedrigen Transparenzniveau. Insgesamt
ist also festzustellen, dass sich die Durchsichtigkeit dieses Politikfeldes
durch den ersten Kodexbericht nur begrenzt erhöht hat.
-
d) Positiv ist der Einblick in die Arbeit
der zuständigen Arbeitsgruppe „Konventionelle Rüstungsexporte“,
COARM, im EU-Ministerrat zu bewerten. Inwiefern der Kodex die einzelnen
Behörden bzw. Regierungen in der Entscheidungsfindung beeinflusst
hat, lässt sich leider aufgrund der verfügbaren Informationen
nicht feststellen. Der zweite Jahresbericht wird erst zum Ende der französischen
Präsidentschaft, d.h. Ende 2000, erwartet. Die Fachgruppe Rüstungsexporte
fordert die Veröffentlichung eines substantiellen Berichtes, aus dem
klar hervorgeht, wie der Kodex umgesetzt wurde. Sie drängt zudem darauf,
mit der Veröffentlichung des zweiten Jahresbericht auch eine Oberarbeitung
des Kodex in Angriff zu nehmen. Der erste Bericht benannte zwar Schwachpunkte,
verschob aber eine Verbesserung auf einen späteren Zeitpunkt. (Anregungen
dazu enthält der GKKE-Rüstungsexportbericht 1999.) Darüber
hinaus beklagt die Fachgruppe Rüstungsexporte, dass die deutsche Politik
und Öffentlichkeit noch zu wenig die Debatte im Europäischen
Parlament zu dieser Thematik zur Kenntnis nehmen.
6.4 Die
Rüstungsindustrie in der EU drängt auf einheitliche rechtliche
und politische Rahmenbedingungen, da sie beklagt, dass nationale Unterschiede
die Konsolidierung und den fairen Wettbewerb behindern. Sie fordert, einen
gemeinsamen Markt für Rüstungsgüter zu schaffen, die Rüstungsexportkontrollen
zu vereinheitlichen und zu vereinfachen sowie den Konsolidierungsprozess
finanziell und politisch zu unterstützen. Allerdings waren frühere
rüstungspolitische Verhandlungen im Rahmen der EU auf Grund unterschiedlicher
Interessenlagen der Staaten wenig erfolgreich; auch die WEAG (= Western
European Armaments Group) konnte nur begrenzte Ergebnisse erzielen.
-
(1) Mit einem „Letter of Intent“ vom Juli
1998 begannen deshalb die sechs größten rüstungsproduzierenden
Staaten der EU neue, konkrete Verhandlungen über einen gemeinsamen
rechtlichen Rahmen für die Rüstungsproduktion. Sie erreichten
einen vertragsfähigen Zwischenschritt, als am 27.Juli 2000 auf der
internationalen Luftfahrtausstellung in Farnborough/England die Verteidigungsminister
Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Schwedens und
Spaniens ein Rahmenabkommen unterzeichneten, um die Umstrukturierung und
gemeinsame Aktivitäten einer europäischen Rüstungsindustrie
in die Wege zu leiten und politisch-rechtlich abzusichern. Gleichzeitig
setzten die Minister Arbeitsgruppen ein, die die Kooperation im Detail
weitertreiben sollen.
-
(2) Dieser völkerrechtliche Vertrag umfasst
Versorgungssicherheit, Verfahren in Ausfuhrangelegenheiten, Behandlung
sicherheitsrelevanter Informationen, Behandlung technischer Informationen,
Forschung und Technologie sowie Harmonisierung des militärischen Bedarfs.
Auf Grundlage des abgeschlossenen Vertrages sollen die Teilbereiche weiter
ausgestaltet und in Folgeabkommen konkretisiert werden. In einigen Aspekten,
u.a. bei der Versorgungssicherheit, einigte man sich lediglich auf vage
Formulierungen. Die Initiative steht prinzipiell auch anderen europäischen
Ländern offen, auch wenn sie nicht Mitglied der EU sind.
-
(3) Das von den nationalen Parlamenten, also
auch dem Bundestag, zu ratifizierende Abkommen sieht u.a. vor, die Rüstungszusammenarbeit
zwischen den Unterzeichnerstaaten zu erleichtern, zum Beispiel durch die
Vereinfachung von Transfers zwischen den Vertragsstaaten. Auch wurde ein
neues Verfahren für Entscheidungen über Rüstungsexporte
vereinbart, wenn ein Produkt von zwei oder mehr Unterzeichnerstaaten gemeinsam
hergestellt wird. Vor Beginn der Produktion erstellen die Regierungen der
beteiligten Länder gemeinsam Listen möglicher Empfängerländer
für spezifische Rüstungsgüter („weiße Listen“), die
je nach technischer Variante differieren können. Wenn sich die Situation
in einem Empfängerland im Laufe der Jahre und Jahrzehnte, die zwischen
Produktionsentscheidung und der Lieferung fertiger Waffen liegen, „einschneidend“
geändert hat, z.B. durch eine „ernsthafte“ Verschlechterung der Menschenrechtssituation,
ist in einem komplizierten Verfahren vorgesehen, solche Listen auch zu
ändern. Die Umorientierung der Politik eines Lieferstaates, z.B. durch
Änderungen der gesetzlichen Grundlagen oder einen Regierungswechsel,
wird dagegen nicht ausdrücklich als Grund für die Streichung
eines einmal zugelassenen Empfängerlandes benannt. Damit verabschiedet
man sich von dem bisherigen Prinzip, wonach die Verantwortung für
einen Export dem Land übertragen wird, in dem die Endfertigung stattfindet.
Deutsche Schlüsselkomponenten wurden so in der Vergangenheit von Frankreich
exportiert, wobei die Bundesregierung wenn nicht auf ein Konsultations-,
so doch auf ein Vetorecht verzichtet hatte. Das Instrument der „weißen
Listen“ erhöht zwar die Planungssicherheit der Rüstungshersteller
und -lieferanten, stellt aber zugleich neue Anforderungen an die Transparenz
einer darauf gründenden Exportpraxis.
-
(4) Wenn das Abkommen von fünf nationalen
Parlamenten ratifiziert worden ist (in Großbritannien ist dies nicht
nötig), wird es als erster internationaler Vertrag zu einer europäischen
Rüstungs(export)politik weitreichende Folgen haben, wobei noch nicht
abzusehen ist, wie sich die veränderten Entscheidungsverfahren für
Rüstungsexporte auf die Praxis sowie deren Transparenz und statistische
Erfassung auswirken werden.
Die Fachgruppe Rüstungsexporte
macht in diesem Zusammenhang auf folgende positiv oder negativ zu bewertende
Perspektiven aufmerksam:
-
a) Das jetzt erreichte Vertragswerk ist vorrangig
darauf angelegt, die Rüstungskooperation im EU-Europa voranzubringen.
Die damit einhergehende Harmonisierung der Exportverfahren ist demgegenüber
eher ein Nebeneffekt. Angesichts dessen ist einmal mehr auf ein Höchstmaß
an Transparenz zu drängen, um einen Missbrauch der Ermessensspielräume,
wie sie der Vertrag vom 27. Juli 2000 gewährt, zu verhindern.
-
b) Positiv ist zu bewerten, dass der Vertrag
den Unterzeichnerstaaten de jure ein Vetorecht bei Exporten von Kooperationsprodukten
einräumt. Dies ist eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation.
Derzeitige Praxis ist, dass der Zulieferer die letztliche Entscheidung
über die Genehmigung oder Verweigerung von entsprechend gefertigten
Kriegswaffen und Rüstungsgütern in die Hand desjenigen Staates
legt, in dem der sogenannte Systemführer seinen Sitz hat. Dass hier
eine neue Rechtsposition bezogen worden ist, lässt sich auch an der
Kritik aus dem Umfeld der Rüstungsindustrie ablesen.
-
c) Zu befürchten ist allerdings, dass
auf Staaten mit vergleichsweise restriktiven Rüstungsexportbestimmungen,
zum Beispiel Deutschland oder Schweden, Druck ausgeübt werden wird,
das Vetorecht nur in Sonderfällen wahrzunehmen. Im Verhandlungsprozess
um die Listen werden möglicherweise Kompromisse mit Zugeständnissen
in anderen Feldern der vertraglich geregelten Kooperation oder im Tausch
mit je nach Lieferstaat und Produkt unterschiedlich bevorzugten Exportdestinationen
erreicht. Der Einfluss einzelner Staaten auf die Festlegungen der Länderlisten
hängt davon ab, in weichem Umfang sie jeweils an dem Vorhaben beteiligt
sind. Umgekehrt kann das Verfahren dazu führen, dass das Interesse,
an einem Kooperationsprojekt teilzunehmen, dem Anliegen übergeordnet
wird, restriktive Kriterien bei der Exportentscheidung zur Geltung zu bringen.
An die Stelle einer beispielsweise von Deutschland angestrebten grundsätzlich
zurückhaltenden gesamteuropäischen Rüstungsexportpolitik
kann die Politik eines gemeinsamen Nenners treten, der sich auf weichere
Standards gründet.
-
d) Die Fachgruppe Rüstungsexporte sieht
ein Risiko darin, dass die Verhandlungen und die daraus resultierenden
Listen geheim gehalten werden. Ohne den Beteiligten einen bösen Willen
zu unterstellen, hat sich in der Vergangenheit gezeigt, wie allein ein
Höchstmaß an Durchlässigkeit und öffentlicher Teilnahme
es verhindert, dass einseitig industrielle Interessen der Kostenminimierung
oder der Markteroberung Oberhand gegenüber friedens- und entwicklungspolitischen
Zielen erhalten. Ohnehin ist der jetzige Vertragstext für eine Lobbyarbeit
der Rüstungsindustrie offen, wenn es dort heißt: „Wünscht
die Industrie zu einem späteren Zeitpunkt die Aufnahme eines weiteren
zulässigen Bestimmungsorts, so soll sie diese Forderung so früh
wie möglich an die betroffenen Vertragsparteien herantragen, um in
den Vorteil der in diesem Artikel niedergelegten Verfahren zu gelangen.“
Dass das Herantragen derartiger Forderungen nicht in neutraler Weise erfolgt,
ist durch Rufe der Industrie nach Lockerung der Exportbestimmungen hinlänglich
bekannt.
-
e) Grundsätzlich ist zu begrüßen,
dass der EU-Verhaltenskodex als Mindeststandard für Exportentscheidungen
benannt wird. Auf Grund des breiten Interpretationsspielraums ist jedoch
zu befürchten, dass der Verhaltenskodex im Sinne niedriger Standards
interpretiert wird. Empfängerländer könnten Platz in den
„weißen Listen“ finden, denen unter nationalen Entscheidungsverfahren
keine Rüstungsexporte genehmigt worden wären.
-
f) Die Fachgruppe Rüstungsexporte hält
es für symptomatisch, dass eine sachliche öffentliche und parlamentarische
Diskussion zu diesem Thema in Deutschland bisher nicht in Gang gekommen
ist, weil Details der Verhandlungen bis zur Unterzeichnung geheim geblieben
sind. Selbst danach veröffentlichte das deutsche Verteidigungsministerium
den Text des Rahmenabkommens nicht, im Gegensatz zur Praxis anderer Länder,
wie z.B. Schweden, wo er problemlos erhältlich und auch schon im Internet
zu finden war.
-
g) Positiv bewertet die Fachgruppe Rüstungsexporte,
dass im Gegensatz zu dem bisher gültigen Endfertigungsprinzip nun
an Hand der gemeinsamen Entscheidungen über die Listen möglicher
Empfänger einzelne Regierungen deutlicher zur Verantwortung gezogen
werden können, wenn dem auch entgegenstehen mag, dass diese Listen
nicht öffentlich verfügbar sein werden. Auch hier stellt sich
wieder die Forderung, Parlamente und Öffentlichkeit in die Entscheidungszusammenhänge
einzubeziehen. Wenn Regierungen und Administrationen dazu den Weg nicht
öffnen, bleibt es den Parlamenten und der Öffentlichkeit aufgegeben,
immer wieder darauf zu drängen.
6.5 Während
die Harmonisierung der Exportregelungen für Rüstungsgüter
noch relativ am Anfang steht, ist die Angleichung bei Gütern, die
militärisch wie zivil nutzbar sind – den sogenannten „Dual-Use-Gütern“
- weit fortgeschritten. Eine neue „Verordnung des Rates über eine
Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern
und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck trat im September 2000
in Kraft. Sie basiert auf dem Dual-Use-Regime von 1995. Die EU konnte hier
tätig werden, weil Dual-Use-Güter nicht unter Art. 296 des EU-Vertrages
fallen, der es den Mitgliedsstaaten erlaubt, Rüstungsgüter von
den Bestimmungen des gemeinsamen Marktes auszunehmen.
-
(1) Bestand das ursprüngliche Dual-Use-Regime
aus einer Gemeinschaftsregelung und einem Beschluss des Rates im Rahmen
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der im Anhang u.a.
Exportkriterien und eine Liste der zu kontrollierenden Güter enthielt,
so sind diese beiden Elemente nun integriert. Alle einschlägigen Güter
und Technologien gehören nun in den supranationalen Bereich. Der Europäische
Gerichtshof kann die Umsetzung der neuen Verordnung überprüfen.
-
(2) Die Verordnung vom September 2000 verschärft
die sogenannte „catch-all-Klausel“, nach der unter bestimmten Bedingungen
die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern auch dann der Genehmigungspflicht
unterliegt, wenn sie nicht in den umfangreichen Listen aufgeführt
sind. Zum Beispiel erweitert die Verordnung die Informationspflicht der
Exporteure. Sie müssen die zuständigen Behörden auch dann
benachrichtigen, wenn ihnen bekannt wird, dass ein Empfänger, gegen
den ein Waffenembargo besteht, ein auszuführendes Gut militärisch
verwenden will. Bisher war eine solche Bestimmung nur auf die mögliche
Verwendung für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen beschränkt.
-
(3) Die Verordnung legt den Entscheidungen
über die Genehmigung bzw. Verweigerung von Ausfuhren die Kriterien
des EU-Verhaltenskodex von 1998 zu Grunde. Zudem wurde ein multilaterales
Konsultationsverfahren eingeführt, das dann wirksam wird, wenn zuvor
ein Staat oder mehrere Staaten die Ausfuhr verweigert hatten. Die Fachgruppe
Rüstungsexporte begrüßt die neue Verordnung für die
Ausfuhr von Dual-Use-Gütern und dringt darauf, die hier vorgesehenen
Konsultationspflichten zu generalisieren.
6.6 Die
Entscheidung über die Ausfuhr von Waffen und Rüstungsgütern
ist weiterhin eine Domäne der Exekutive. Gleichwohl interessieren
sich nicht nur in den Staaten der EU, sondern auch darüber hinaus
Menschen, Gruppen und Parteien verstärkt für das Handeln von
Regierungen und Unternehmen auf diesem Feld. ja, es hat den Anschein, dass
die Rüstungsexportpolitik zum Prüfstein politischer Glaubwürdigkeit
für Regierungen und Administrationen wird. Nicht ohne Grund durchzieht
der Ruf nach größerer Transparenz nicht nur die jährlichen
, Rüstungsexportberichte der Fachgruppe Rüstungsexporte. Sie
taucht auch in den Forderungskatalogen von Parlamenten und gesellschaftlichen
Gruppen wie Verbänden auf. Ihr Anliegen profitiert davon, dass vielfältige
Informationen, wenn auch nicht systematisch und offiziell deklariert, über
vielfältige Kanäle erhältlich und kommunizierbar sind und
das Pochen der Exekutiven auf Diskretion relativieren.
-
(1) Das Europäische Parlament (EP), das
in seiner jetzigen Zusammensetzung aus allgemeinen Wahlen in allen EU-Mitgliedstaaten
im Jahr 1999 hervorgegangen ist, ist formal nicht an rüstungsexportpolitischen
Entscheidungsprozessen beteiligt. Es hat jedoch die ihm zur Verfügung
stehenden Einflussmöglichkeiten genutzt und sein Interesse in einer
Vielzahl von Entschließungen, schriftlichen und mündlichen Anfragen
an Kommission, Rat und Präsidentschaft, sowie in eigenen Anhörungen
zur Geltung gebracht. Nachdem allerdings im Frühjahr 2000 die Unterausschüsse
für „Abrüstung und Sicherheit“ und für „Menschenrechte“
abgeschafft worden sind, hat sich die 24hl möglicher Foren verringert.
Derzeit kümmert sich die informelle Arbeitsgruppe „Rüstungsexporte“
des EP (European Parliament Arms Transfers Working Group) um dieses Thema.
In seinen Stellungnahmen, u.a. in Dringlichkeitsentschließungen,
hat sich das EP kritisch zum EU-Verhaltenskodex und dessen Umsetzung geäußert.
Ähnlich wie viele NGOs fordert es:
- eine Verschärfung der Menschenrechtskriterien;
- maximale Transparenz;
- parlamentarische Einflussmöglichkeiten,
- die Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten
an Konsultationen über die Erteilung einer Genehmigung, selbst wenn
diese bereits von einem Mitgliedstaat verweigert worden war;
-wirksame Kontrollen des Endverbleibs,
der Lizenzproduktion und der Vermittlung von Waffengeschäften; die
Einigung auf einen internationalen Verhaltenskodex und die Anwendung des
Verhaltenskodexes durch Staaten, die sich um eine Mitgliedschaft in der
EU bewerben.
Im „Bericht über den Jahresbericht
1999 des Rates über die Anwendung des Verhaltenskodex der Europäischen
Union für Waffenausfuhren“, der im Oktober 2000 vom Plenum verabschiedet
wurde, mahnte der Berichterstatter Gary Titley von der britischen Labour
Partei diese Prioritäten ebenfalls noch einmal an. Zudem kam das EP
überein, jährlich eine Entschließung zu dem Jahresbericht
des Rates zu verabschieden.
Die Fachgruppe Rüstungsexporte
a) begrüßt das Engagement des
EP auf dem Feld der europäischen Rüstungsexportpolitik. Sie selbst
sieht sich gefordert, ihre Überlegungen auch auf dieser Ebene zu präsentieren.
b) fordert, die Foren für eine inhaltliche
Auseinandersetzung der Parlamentarier und damit der europäischen Öffentlichkeit
zu erhalten, wenn nicht auszubauen;
c) beklagt, dass die Aktivitäten
des EP, seiner Ausschüsse und Abgeordneten nur unzureichend in die
deutsche Debatte vermittelt werden. Angesichts des Stellenwertes, den inzwischen
die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, die Europäisierung
der Rüstungsindustrie und die Restrukturierung der nationalen Streitkräfte
einnehmen, mutet die in Deutschland zur Zeit anzutreffende Verengung der
politischen Debatte um Rüstungsexporte auf ein innenpolitisches Kräftemessen
als Anachronismus an.
-
(2) Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs),
zu denen ebenso die Entwicklungsagenturen der Kirchen zählen, begleiten
den Europäisierungsprozess der Rüstungsindustrie und der -exportpolitik
kritisch. Auf europäischer Ebene sind verschiedene Netzwerke zu diesem
Thema entstanden, so ENAAT (European Network against the Arms Trade) oder
das Forum Rüstungsexporte und zum Teilbereich Kleinwaffen ein Netzwerk
europäischer NGOs innerhalb der IANSA (International Action Network
on Small Arms). Eine Vielzahl von NGOs sind in ihren jeweiligen Staaten
aktiv. Die Schwerpunktbereiche der Organisationen reichen dabei von Menschenrechten,
Entwicklung, Abrüstung, Frieden bis zu humanitärer Hilfe. Dabei
bedienen sich die NGOs unterschiedlicher Aktionsformen. Pressearbeit, Stellungnahmen
und Konferenzen decken Schwächen gegenwärtiger politischer Ansätze,
z.B. des EU-Kodex, auf, mahnen deren Verbesserung an und informieren Parlamente
und Öffentlichkeit über Gefahren gegenwärtiger Entwicklungen
sowie über alternative Ansätze. Dabei erfahren die NGOs teilweise
Unterstützung durch die Regierungen und Administrationen einzelner
EU-Mitgliedstaaten wie Schweden oder Irland. Diese räumen gesellschaftlichen
Initiativen mehr Bedeutung ein als zum Beispiel das deutsche oder französische
System. Diese Arbeit ist von zentraler Bedeutung, wenn eine transparente,
kohärente und effektive Rüstungsexportpolitik gefordert und der
Lobbyarbeit der Rüstungsindustrie ein Gegengewicht entgegen gestellt
werden sollen. Die Fachgruppe Rüstungsexporte sieht ihre Tätigkeit
im Einklang mit den Aktivitäten anderer gesellschaftlicher Gruppen
und Organisationen.
7. Die Plage der Kleinwaffen
– Herausforderungen an die Entwicklungspolitik
7.1 Die Mehrzahl
der 5 Millionen Menschen, die in den zurückliegenden zehn Jahren kriegerischen
Gewalttaten zum Opfer gefallen sind, haben ihr Leben nicht durch den Einsatz
von Panzern, Hubschraubern oder schwerer Artillerie verloren, was man gemeinhin
mit moderner Kriegführung in Verbindung bringt, sondern durch Maschinengewehre,
Handfeuerwaffen und Pistolen sowie durch einfache Granaten oder explodierende
Minen. Mehr als 500 Millionen Kleinwaffen sind derzeit im Gebrauch, und
in 43 von insgesamt 47 gewaltsam in jüngerer Zeit ausgetragenen Konflikten
wurden Kleinwaffen als vorherrschendes Kampfmittel eingesetzt.
Die Verbreitung von automatischen Gewehren
und kleinen Maschinengewehren hat paramilitärischen Banden eine Feuerkraft
verliehen, die teilweise die regulärer Streit- oder Polizeikräfte
weit überschreitet. Moderne Waffen dieser Art können mehr als
hundert Schuss je Minute abgeben, einzelne Schützen somit in kürzester
Zeit eine Vielzahl von Menschen töten. Mit der ungeheuerlichen Feuerkraft
dieser Waffen wandeln sich oft genug ungeübte Zivilpersonen, ja Kinder,
zu wahren „Tötungsmaschinen“.
-
(1) Als „Kleinwaffen“ werden Pistolen, Revolver,
Gewehre und Karabiner bezeichnet. „Leichte Waffen“ sind alle anderen Waffen,
die ein oder zwei Menschen tragen können, also, Maschinengewehre,
bestimmte Raketenwerfer oder Meine Mörser. Diese Arten von Waffen
sind leicht und vielerorts erhältlich, relativ preiswert, leicht zu
handhaben und langlebig. Anders als Großwaffen wie Panzer oder Flugzeuge
werden sie von Regierungstruppen ebenso wie von irregulären Banden
und Einzelpersonen eingesetzt. ja, die Waffengesetzgebung in vielen Staaten
erlaubt sogar den legalen Besitz solcher Waffen. (Im Folgenden werden beide
Waffenkategorien unter dem Stichwort „Kleinwaffen“ zusammengefasst, wie
es dem weltweit üblichen Sprachgebrauch entspricht.)
-
(2) Der weltweite Handel mit Kleinwaffen und
leichten Waffen nimmt stetig zu. Schätzungen gehen davon aus, dass
mit Waffen dieser Art jährlich zwischen sieben und zehn Milliarden
US-Dollar legal umgesetzt werden. Hinzu kommt die illegale Weitergabe solcher
Waffen in der Höhe von zwei bis drei Milliarden US-Dollar. Insgesamt
ist es schwierig, den Handel mit dieser Art von Waffen statistisch zu erfassen,
da er sich neben den legalen Aus- und Einfuhren vieler dunkler Kanäle
bedient. Viele dieser Waffen werden durch Privatfirmen vermarktet. Auch
wenn einzelne Staaten, wie z.B. die USA, jetzt begonnen haben, den Handel
strengeren Kontrollen zu unterwerfen, so sind dennoch allein aus den Vereinigten
Staaten im Jahr 1998 Waffen und Munition im Wert von 463 Millionen US-Dollar
an 124 Staaten exportiert worden. Von diesen waren über dreißig
in fortwährende innere Unruhen verstrickt, und in mindestens fünf
Fällen sind Soldaten der USA oder von UN-Friedenstruppen mit Waffen
und Munition attackiert worden, die nordamerikanischer Herkunft waren.
-
(3) Die wichtigsten Lieferanten sind Russland
(mit dem AK-47-Gewehr und dem daraus abgeleiteten AK-74-China (mit der
der AK-47 nachgebildeten Waffe vom Typ 56), Belgien (FAL-assault riffle),
Deutschland (G 3-Gewehr), die USA (mit dem M-16-Gewehr) und Israel (mit
der Uzzi-Maschinenpistole). Hinzu kommen die verschiedenen Nach- und Lizenzherstellungen,
die in über 40 Staaten gefertigt werden.
7.2 Die
Verbreitung der Klein- und Leichtwaffen hat zunehmenden Bedarf an humanitärer
Hilfe geweckt, dem sich UN-Agenturen und internationale Hilfsorganisationen
gegenübersehen. So ist der Umfang unmittelbarer Hilfsleistungen in
kriegerischen Konflikten während der neunziger Jahre auf jährlich
über 5 Milliarden US-Dollar angestiegen, während die anderen
Entwicklungsleistungen kontinuierlich sinken. Kurzfristige Aktionen zehren
die Mittel auf, die eigentlich für die langfristige Beseitigung der
Übel von Armut, Verelendung und Krieg zur Verfügung stehen sollten.
So haben bewaffnete Banden mit wenigen tausend Hand- und Leichtwaffen die
Resultate langjähriger Entwicklungsanstrengungen wieder zunichte gemacht.
Eine auf Frieden und Entwicklung ausgerichtete Politik sieht sich nun mit
der Aufgabe konfrontiert, erst einmal zur Rehabilitation von Nachkriegsgesellschaften
beizutragen.
7.3 Nun stehen
die grassierende Verbreitung der „Kleinwaffen-Plage“ und deren Bekämpfung
seit mehreren Jahren auf der internationalen Tagesordnung. Im Juli 1998
kam es in Oslo zu einem Treffen von Vertretern aus 21 Staaten, darunter
die USA, Brasilien, Großbritannien, Deutschland, Japan, Mexiko und
Südafrika. Im gleichen Jahr startete die EU eine entsprechende Initiative,
und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
ist in dieser Frage zum ersten Mal mit einem gemeinsamen Programm hervorgetreten.
Für das Jahr 2001 hat die UNO eine internationale Konferenz zu diesem
Problemkomplex anberaumt. (Der GKKE-Rüstungsexportbericht 1999 hat
technische Möglichkeiten, dem Handel und Einsatz von Klein- und Leichtwaffen
entgegenzuwirken, bereits vorgestellt.)
Es zeigt sich jedoch, dass es nicht ausreichen
wird, dem erfolgreichen Modell der Anti-Personen-Minen-Konvention aus dem
Jahr 1997 zu folgen. Denn immer noch erachten viele Staaten Einfuhr oder
Produktion der Klein- und Leichtwaffen als unverzichtbar, um ihre innere
Sicherheit aufrecht zu erhalten. Auch in Industriestaaten wie den USA gehört
der Besitz von Kleinwaffen zum Alltag, und die Regierungen tun sich angesichts
gesellschaftlicher Widerstände schwer, deren Missbrauch zu verhindern.
Immerhin besteht ein Großteil der deutschen Waffenausfuhren in die
USA aus eben diesen Waffen, wie der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung
offenlegt.
Deshalb wird es eines mehrdimensionalen
Ansatzes bedürfen, um den illegalen Handel mit Klein- und Leichtwaffen
zu unterbinden, den legalen Transfer schärferen Kontrollen zu unterwerfen,
parallel zur Förderung demokratischer Reformen und wirtschaftlicher
Entwicklung, aber auch zu praktischen Schritten, um, wie im Fall der USA,
die Nachfrage selbst einzudämmen. Im Einzelnen sollte sich der Ansatz
der Rüstungskontrolle für Klein- und Leichtwaffen auf folgende
Grundsätze stützen:
-
(1) So früh wie möglich sollten
Informationen über die Konzentration von Klein- und Leichtwaffen in
bestimmten Krisen- und Konfliktregionen gesammelt und veröffentlicht
werden, um rechtzeitig Trends der politischen und gesellschaftlichen Destabilisierung
die gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen. Immerhin haben einige
Lieferanten in den USA und in Kanada inzwischen begonnen, ihre Exporte
öffentlich anzuzeigen, auch wenn es noch an einem systematischen und
kompletten Erfassen solcher Transfers fehlt. Das UN-Waffenregister erfasst
bisher nur die Weitergabe größerer konventioneller Waffen.
-
(2) Die größeren Lieferanten militärischer
Güter sollten sich strengeren Standards für den Export unterwerfen.
Auch wenn viele Klein- und Leichtwaffen auf dunklen Kanälen weitergegeben
werden, sind es doch immer noch nur etwa zwölf Staaten, die für
die größte Menge der Lieferungen verantwortlich sind. Zu ihnen
gehören die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates,
– USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – und eine
Zahl anderer europäischer, asiatischer und lateinamerikanischer Staaten.
Wenn sich diese Lieferstaaten auf ein gemeinsames, striktes Kontrollregime
dieses Handels einließen, würde sich der Transfer von Waffen
in Zonen politischer und gesellschaftlicher Instabilität erheblich
verringern.
-
(3) Ansätze, die Nachfrage nach Klein-
und Leichtwaffen zu mindern, sollten gefördert werden. Ein offensichtlich
gelingendes Beispiel ist die Initiative der westafrikanischen Staatengruppe
ECOWAS aus dem Jahr 1998, ein zumindest dreijähriges Moratorium für
die Einfuhr solcher Waffen zu beschließen. Ausgegangen war es von
der Friedensinitiative im Bürgerkrieg von Mali in der ersten Hälfte
der neunziger Jahre, die sich auf die Hilfe internationaler Organisationen
bei der Beseitigung der überzähligen Waffen stützen konnte.
-
(4) jenseits dieser Schritte müssen Maßnahmen
ergriffen werden, um den illegalen Handel mit Klein- und Leichtwaffen zu
unterbinden. Hier hat sich bisher vor allem die Organisation amerikanischer
Staaten (OAS) um erste Maßnahmen bemüht, als im Jahr 1997 ihre
Mitglieder sich entschlossen, die illegale Produktion und den schwarzen
Handel mit diesen Waffen als kriminelle Handlungen einzustufen, nicht zuletzt
um deren Koppelung mit dem Drogengeschäft und der Bandenkriminalität
zu bekämpfen. Die US-Regierung bemüht sich, ähnliche Regelungen
In die Transnational Organized Crime Conventlon einzufügen, über
die derzeit In Wien verhandelt wird.
-
(5) Die Erfahrungen u.a. aus Angola, Ruanda,
Somalia und Uganda zeigen, dass parallel zu solchen Schritten Maßnahmen
ergriffen werden müssen, um nach Erreichen von Friedensabkommen die
ehemaligen Kombattanten wieder in die Gesellschaft zu integrieren. So wäre
zu verhindern, dass die Kämpfer zu vagabundierenden Söldnern
werden, die bereit sind, sich und ihre Waffen in anderen Konflikten zu
verkaufen. Weitere gravierende praktische Probleme schaffen das Einsammeln
und Zerstören der überzähligen Waffen. Abhilfe könnten
hier bereits erprobte „Rückkauf-Programme“ schaffen. Die EU und die
Weltbank haben inzwischen Projekte begonnen, um die soziale und wirtschaftliche
Rehabilitation von Nachkriegsgesellschaften zu fördern. An die Bundesregierung
richtet die Fachgruppe Rüstungsexporte die Forderung,
- ihre entwicklungs- und friedenspolitischen
Maßnahmen in den von der „Kleinwaffenplage“ betroffenen Regionen
und Staaten fortzusetzen und zu intensivieren;
- das bewährte Engagement von NGOs
auf diesem Feld intensiv zu berücksichtigen und weiter auf deren Expertise
zu setzen;
- ihren auf verschiedenen Foren bekundeten
Willen zu einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik gerade
für dieses Segment der Waffenausfuhren tatsächlich zu realisieren
und auch auf andere Exporteure in diesem Sinne einzuwirken;
- sich im internationalen Kontext für
ein effektives Regime zur Kontrolle desTransfers von Kleinwaffen einzusetzen.
Teil II
Deutsche
Rüstungsexporte 1999
Vergleichende
Auswertung statistischer Quellen
Vorbemerkung
Am 20. September 2000 hat die Bundesregierung
ihren ersten „Rüstungsexportbericht“ verabschiedet und dem Deutschen
Bundestag zugleitet. Gleichzeitig wurde der Bericht auf den Internetseiten
des Bundeswirtschaftsministeriums der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht. Der Bericht nennt für das Jahr 1999 die Genehmigungen für
Rüstungsexporte gemäß Außenwirtschaftsgesetz bzw.
Außenwirtschaftsverordnung und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren
von Kriegswaffen gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz. Beide Abgrenzungen
unterscheiden sich von denen, die in internationalen Statistiken üblich
sind, denn die deutsche Übersicht enthält auch Lieferungen von
Teilen, die in den internationalen Statistiken nur unvollständig erfasst
werden.
Dennoch besteht damit zum ersten Mal die
Möglichkeit, offiziell vorgelegte Daten und Kommentierungen mit international
erarbeiteten Daten und Zahlenreihen zu vergleichen, längerfristige
Trends zu identifizieren und die deutsche Position Im weltweiten Rüstungshandel
zu bewerten. Die nachfolgende Auswertung bezieht sich im ersten Teil auf
die internationalen Statistiken und geht im zweiten Teil ausführlich
auf den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ein.
1. Internationale statistische
Quellen im Vergleich
Im Folgenden werden Angaben zu deutschen
Rüstungsexporten aus folgenden internationalen Quellen analysiert:
– SIPRI-Datenbank zum internationalen
Waffenhandel,
– Waffenhandelsdaten der US-Regierung
und des US-Kongresses.
Die Daten des International Institute for
Strategic Studies (IISS), London, die in den zurückliegenden Jahren
im GKKE-Rüstungsexportbericht gelegentlich Verwendung fanden, sind
hier nicht berücksichtigt, da sie nicht disaggregiert vorliegen.
Im GKKE-Rüstungsexportbericht 1997
waren die Unterschiede im Zuschnitt und in der Erfassung der Zahlen verschiedenen
Ursprungs ausführlich diskutiert worden. Festzuhalten bleibt auch
heute, dass zeitnahe Angaben weniger verlässlich sind als solche,
die sich auf weiter zurückliegende Zeiträume beziehen. Deshalb
ist geraten, Zahlen für das Jahr 1999 mit Zurückhaltung zu interpretieren,
denn es ist zu erwarten, dass spätere Erkenntnisse sie nach oben korrigieren.
Durchschnittswerte über mehrere Jahre versprechen größere
Zuverlässigkeit.
Die Auswertung führt zu folgenden
Schlussfolgerungen:
-
1. Die vorliegenden Zahlen für 1999 zeigen
für das Ende der 90er Jahre einen leicht ansteigenden Trend des bundesdeutschen
Exports von Waffen und Rüstungsgütern, verglichen mit der Mitte
der 90er Jahre. Das Niveau liegt allerdings immer noch unter dem der ersten
Hälfte der 90er Jahre (siehe Schaubild).
-
2. Allerdings ist davon auszugehen, dass die
Rüstungsexporte im neuen Jahrzehnt deutlich ansteigen werden. Hauptgrund
für den zu erwartenden Zuwachs sind eine Reihe von größeren
Exportgeschäften, vor allem im Marinebereich. Diese bereits im letzten
Rüstungsexportbericht der GKKE gemachte Prognose kann auf Grund der
jetzt vorliegenden Daten zu Neuverträgen (siehe Schaubild) als gesichert
angesehen werden.
-
3. Der Wiederanstieg der deutschen Rüstungsexporte
muss im Zeichen eines generellen Wachstums der weltweiten Rüstungsexporte
gesehen werden. Die deutsche Rüstungsindustrie scheint aber, vor allem
wegen der umfangreichen Exporte von Kriegsschiffen, überproportional
von der Zunahme des weltweiten Waffenhandels profitiert zu haben.
-
4. Nach SIPRI-Angaben wurden 1999 Großwaffen
im Wert von ca. 2,8 Mrd. DM exportiert (in laufenden Preisen und Wechselkursen,
für Details vergleiche Tabelle 2). Die entsprechenden Angaben in der
US-amerikanischen Datenbasis (CRS) zeigen Werte von 2,3 Mrd. DM für
Lieferungen und 7,6 Mrd. DM für Neugeschäfte.
-
5. Die Werte der noch auszuführenden
Bestellungen, die aus der US-amerikanischen Statistik hervorgehen, deuten
auf eine dramatische Veränderung im deutschen Rüstungsexport
hin. Während in den Jahren 1995-1997 relativ wenig Neugeschäfte
abgeschlossen wurden, stiegen die Verkaufsvolumina in den Jahren 1998 und
1999 auf Rekordhöhe. Der Wert für 1998 beträgt nach den
korrigierten Werten in der genannten Quelle 9,8 Mrd. DM, der für 1999
immerhin noch 7,6 Mrd. DM. Diese Bestellwerte von zusammen 17,4 Mrd. DM
lassen ein Ansteigen des deutschen Rüstungsexports auch bei einer
restriktiveren Rüstungsexportpolitik ab Januar 2000 erwarten. Umfangreiche
Geschäfte, die bereits abgeschlossen wurden, aber über mehrere
Jahre abgewickelt werden, betreffen Lieferungen von Panzern nach Spanien
und Schweden, Kampffugzeugen (Eurofighter) nach Griechenland sowie von
Kriegsschiffen nach Südafrika, Malaysia und in die Türkei. Weitere
Angaben zur Größenordnung dieser Geschäfte finden sich
im beigefügten Auszug aus dem SIPRI-Waffenhandelsregister.
-
6. Der deutsche Anteil am weltweiten Handel
mit Großwaffen, der nach SIPRI-Angaben in der Mitte der 90er Jahre
bei etwa 8 % (Mittel der Jahre 1994-96) lag, ist zwar deutlich zurückgegangen,
betrug aber 1999 immerhin 6,5 %. Nach der US-amerikanischen Statistik lag
der deutsche Anteil an den weltweiten Lieferungen für 1994-96 bei
5 % und für 1999 bei 3,5 %. Bei Neugeschäften waren die Anteile
3% für 1994-96 und 13,2 %für 1999.
-
7. Deutschland bleibt unter den „großen
Rüstungsexporteuren“. In der SIPRI-Statistik nimmt Deutschland 1999
den 4. Rang ein, nach den USA, Frankreich und Russland, aber noch vor Großbritannien.
Nach den US-amerikanischen Zahlen für Lieferungen lag Deutschland
1999 auf Platz 5, hinter den USA, Großbritannien, Frankreich und
Russland, aber z.B. deutlich vor China.
-
8. Wenn auch die Menge der Bestellungen 1998
und 1999 schwimmendes und fliegendes Großgerät betraf, hat der
Export von Altgerät aus Beständen der Bundeswehr gegenüber
der Mitte der 90er Jahre eine wieder zunehmende Bedeutung.
-
9. Für den überwiegenden Teil bundesdeutscher
Rüstungsexporte werden andere Industrieländer als Abnehmer verzeichnet.
Im längerfristigen Mittel der 90er Jahre gehen etwa zwei Drittel der
Rüstungsexporte in Industrieländer, ein Drittel in Entwicklungsländer
(definiert als außereuropäische Länder ohne USA, Kanada
und Japan). 1999 ist in der SIPRI-Statistik vermutlich ein Ausreißer,
der durch den hohen Exportwert nach Israel (U-Boote) zustande kommt. Der
Anteil der Lieferungen an Industrieländer ist für Deutschland
deutlich höher als im weltweiten Durchschnitt, wo er etwa ein Drittel
beträgt. In den Angaben für Deutschland sind allerdings mögliche
indirekte Lieferungen durch Re-Export von aus Deutschland gelieferten Bauteilen
nicht berücksichtigt. Die Statistik der Neugeschäfte (CRS) deutet
darauf hin, dass der Anteil der Entwicklungsländer auch in der nächsten
Zeit konstant bleiben wird.
-
10. Die regionale Zuordnung der Empfänger
zeigt einige Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede zwischen den
Quellen. Größte Empfängergruppe nach SIPRI waren 1999,
auf Grund der U-Boot-Lieferung an Israel, die Nahost-Staatengruppe, gefolgt
von den NATO-Staaten und den Staaten in Asien (ohne Japan und Nahost).
Lieferungen nach Südamerika, wohin lange kaum exportiert wurde, haben
nach SIPRI 1999 auf Grund von Lieferungen nach Brasilien wieder zugenommen.
Nach Afrika werden für 1999 keine Lieferungen verzeichnet. Größte
Empfängergruppe unter den „Entwicklungsländern“ nach US-amerikanischen
Zahlen waren 1996-1999 Asien und Nahost. Lieferungen nach Afrika wurden
nicht verzeichnet. Durch die Verkäufe von Schiffen nach Südafrika
lag
Afrika aber bei den Bestellungen 1996-1999 an erster Stelle, gefolgt von
Asien.
Noch vor der Türkei und Griechenland
war nach SIPRI-Zahlen 1999 Israel der wichtigste Abnehmer bundesdeutscher
Rüstungswaren. Weitere wichtige Abnehmer im Jahr 1999 waren nach SIPRI
Brasilien, Südkorea und Indien.
-
11. Nach SIPRI-Angaben wurden 1998 Großwaffen
an 17 Länder geliefert, wovon 5 Entwicklungsländer waren. Wird
der Betrachtungszeitraum 1993-1997 gewählt, so lieferte Deutschland
Großwaffen insgesamt an 41 Länder, darunter 17 Entwicklungsländer.
2. Die Daten des „Rüstungsexportberichts
1999“ im Vergleich
-
1. Nach amtlicher bundesdeutscher Statistik
wurden 1999 Kriegswaffen im Wert von 2,844 Milliarden DM exportiert. Dies
ist eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr, als Kriegswaffen
im Wert von 1,338 Milliarden DM exportiert wurden. Wichtigste Empfängerländer
waren, wie bei der SIPRI-Statistik, Israel und die Türkei. Ca 40 Prozent
der Lieferungen gingen in Entwicklungsländer. Dies entspricht den
Größenordnungen der internationalen Statistiken. 99 Prozent
der Lieferwerte von Kriegswaffen an Entwicklungsländer betrafen Kriegsschiffe
und Materialpakete zur Herstellung von Kriegsschiffen.
-
2. Insgesamt wurden 1999 9373 Einzel- und
62 Sammelgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern
nach der Definition der Außenwirtschaftsverordnung erteilt. Der Gesamtwert
der Genehmigungen betrug 6,576 Mrd. DM. Dies ist etwas höher als die
entsprechende Angabe in der US-amerikanischen Statistik der Bestellungen.
Mit weitem Abstand wichtigstes Land war die Türkei mit über 29%
des gesamten Wertes aller Genehmigungen. Ca. 22 Prozent der Genehmigungen
betrafen Entwicklungsländer. Wichtigste Region war der Nahe Osten
mit einem Anteil von 14 Prozent an den gesamten Genehmigungen. Länder
unter den Entwicklungsländern, für die Genehmigungen im Wert
von mehr als 100 Mio. DM erteilt wurden, waren Israel mit 477 Mio. DM (vor
allem U-Boote und Teile für Schiffe),VAE mit 336 Mio. DM (überwiegend
LKW und Teile für gepanzerte Fahrzeuge), Südkorea mit 130 Mio.
DM und Nigeria mit 119 Mio. DM (überwiegend Teile für Flugzeuge).
-
3. Insgesamt wurden für 67 Entwicklungsländer
Genehmigungen erteilt, 20 in Afrika, 17 in Lateinamerika, 12 in Nahost
und 18 in Asien. In vielen Fällen, die in Tabelle 2 nicht aufgelistet
sind, wurde der Export von Kleinwaffen und Munition für geringe Kaufbeträge
gestattet. Hierzu gehören in Afrika Botsuana, Burkina Faso, Cote d'
Ivoire, Gabun, Ghana, Kap Verde, Kenia, Madagaskar, Malawi, Sambia, Senegal,
Sierra Leone, Simbabwe, Tansania, Tunesien, Uganda; in Asien Hongkong,
Mongolei, Neukaledonien, Papua-Neuguinea, Philippinen, Sri Lanka und Vietnam;
in Lateinamerika Bolivien, Ecuador, Guyana, Kuba, Niederländische
Antillen, Panama, St. Vincent, Trinidad und Tobago; in Nahost Jemen, Brunei,
Katar und Libanon. Wichtigste Warengruppen bei den Genehmigungen für
Entwicklungsländer waren Kriegsschiffe, deren Export aber auf wenige
Länder konzentriert ist. Der Export von Kleinwaffen und Munition hingegen
wurde in 41 Entwicklungsländer gestattet, allerdings insgesamt mit
einem relativ geringen Verkaufswert von etwas über 22 Mio. DM. Insgesamt
wurden 1999 85 Anträge abgelehnt. Diese Statistik ist nur bedingt
aussagekräftig, da wenig erfolgversprechende Anträge in der Regel
gar nicht gestellt werden. Trotzdem fällt auf, dass in vielen Fällen
– etwa einem Drittel aller Länder, für die Genehmigungen ausgesprochen
wurden – Anträge für Länder in einer Warenkategorie abgelehnt
wurden, die in einer anderen Genehmigungen erhielten. Dies deutet auf eine
nach Warengruppen differenzierende Genehmigungspraxis hin.
|