Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 24. Dezember 2005 schrieb uns Herr E. C.:

guten tag also naja mich beschäftigen seit längerer zeit schon so einige dinge in richtung meines glaubens...ich denke das ich anders glaube...weis auch nich so genau wie ich das alles ausdrücken soll denn ich bin mir nich sicher an was und vorallem wie ich glauben soll!? ich gehe nicht in die kirche, jedenfalls nicht oft, und ich glaube auch nich direkt an die geschichte von jesus, nich so wie sie erzählt wird...also das mit durchs wasser gehen und so! ich glaube jedoch das es ihn gab und das er eine botschaft an die menschen gebracht hat.. ich bete manchmal aber nich immer... ich wurde als einziger konfirmiert aus meiner fam. und bin auch sehr unchristlich erzogen wurden aber ich glaube dennoch an etwas kann nur nich sagen was es direkt ist.. ich denke schon das es etwas "danach" geben muss denn eine seele kann ja nich einfach so verschwinden... es is auch schade das ich in meinem umfeld mit keinem so richtig darüber reden kann wobei ich mich auch vor meinen freunden dazu bekenne an "etwas" zu glauben! ich bete ab und an aber nich immer und wenn ich dann lese das man täglich beten soll komm ich mir so vor als wäre ich doch nich glaubensstark genug??? ich bete meistens dann wenn ich das bedürfnmis habe etwas los zu werden oder für meine verstorbene oma das es ihr gut geht... wobei da das nächste problem wäre... meine schwester trämt ständig von meiner oma! ein alter mann stützt meine oma und bringt sie zu meiner schwester... meine schwester fängt in ihren träumen an sich zu bekreuzigen weil sie merkt das das nich meine oma ist und kann anschliessend nicht aufwachen... was geschieht mit meiner schwester?? sie träumt auch sehr viel von anderen toten die ihr versuchen etwas zu sagen..ich weis es klingt eigenartig aber kann es sein das meine omas seele noch auf der erde ist??
und warum sollte es so sein??

eine frage habe ich noch...
wie gläubig muss ich denn sein um die gnade von gott zu erspühren und wo fängt der glaube an??
ich hoffe das team schreibt mir zurück komme mir manchmal so vor als wär ich irre... ich erhoffe antworten auf meine vielen fragen... gruss e.


Unsere Antwort:

Lieber Herr C.,

vielen Dank für Ihren mutigen Brief. - Nein, irre oder wirr kommt uns Ihre Mail überhaupt nicht vor. (Ein wenig flapsig und ungewöhnlich in der Sprache und Rechtschreibung darf man ja bei E-Mails sein. Oder?) Im Gegenteil: Wenn jemand noch unruhige Fragen stellen kann wie Sie, dann ist das eher ein Zeichen von selbständigem Denken. Bedenklich wird es erst, wenn jemand keine Fragen mehr stellt.

Antworten auf Ihre "vielen Fragen" kann man nicht auf die Schnelle und auch nicht mit zwei Sätzen geben. Man kann manches zunächst auch nur "halb" beantworten, vieles verkürzt. Sie müssen also, wenn Ihre Hoffnung auf Antwort ernst ist, Durchhaltevermögen beweisen und selbständig weiterdenken. Vielleicht ist es auch besser, wir beginnen für heute nur mit Ihren wichtigsten Fragen zum Glauben. Sie können ja nach dieser ersten Antwort klärende Fragen stellen, wenn Ihnen etwas unverständlich war. Die Themen "Kirchenbesuch, Beten und Leben nach dem Tode" können wir dann später angehen.

Es scheint Sie zu beunruhigen, dass Sie "anders" glauben. Anders als damals bei der Konfirmation? Anders als die offizielle Kirche? Oder anders als die Menschen um Sie herum: Christen und Nichtchristen, Gläubige oder Ungläubige? Was ist Glaube?

Hinter dem Wort "Glauben" verbergen sich zwei Welten. Die eine Welt ist der Horizont dessen, der glaubt. Niemand kann allein nur mit seinen Sinnen die Welt erkennen. Der Mensch erfährt nämlich von seiner ersten Stunde an seine Umwelt vermittelt. In der Geborgenheit liebender Menschen erfährt das Kleinkind mit seiner Sinnlichkeit seine Welt als stimmig, es kann ihr vertrauen, es kann die Welt "glauben". Wer diese Urerfahrungen nicht gemacht hat, wird es später mit dem Glauben nicht leicht haben. Ohne unsere Sinnlichkeit können wir also nicht glauben, aber auch nicht denken. Der Mensch kann auch nicht alles mit seinen Sinnen selber erfahren. Er muß die Erfahrungen, das Wissen anderer annehmen können. Dazu gehört das seit den ersten Lebensstunden grundgelegte Vertrauen an andere Menschen. Auch das ist Glauben. Und schließlich gibt es Dinge und Vorgänge, die unsere Sinnlichkeit übersteigen. Hier kommen wir ohne den Glauben nicht weiter. Wenn Ihnen z.B. Ihre Freundin beteuert, dass sie Sie liebt, können und müssen Sie das trotz aller Liebesbeweise am Ende glauben.

Wir können sagen: Zum Glauben gehört Ihre ganze Persönlichkeit und Lebenswelt: Ihr Lebensgefühl, Ihre Begabungen und Anlagen, Ihr erworbenes Wissen und Ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten, Ihre Lebenserfahrung mit allen Freuden und Leiden, Glück und Enttäuschungen. Diese Ebene des Glaubens ist der Kern Ihrer Person, ist Ihre Identität. Es ist das Wertvollste, was ein Mensch haben kann und was keinem genommen werden kann. Es ist der Inbegriff von Freiheit. Mit diesem persönlichen Glauben orientieren Sie sich im Leben und treffen Ihre Entscheidungen, finden Sie Sinn in dem, was Sie tun und was Ihnen widerfährt. Mit diesem Glauben erklären Sie sich (subjektiv) die Welt - falsch oder richtig. Und weil jeder Mensch ein Recht auf diesen freien Glauben hat, haben wir das Gebot der Toleranz. Der persönliche Glaube ist die Grundlage der Menschenwürde und der Freiheit.

Leider ist das alles im Alltag ziemlich schwierig. Nicht jeder hat die oben erwähnten Urerfahrungen gemacht, nicht jeder konnte in so freie vertrauensbasierte Entscheidungen hineinwachsen. Außerdem ist Freiheit ähnlich wie Wahrheit schwer zu definieren und noch schwerer zu leben. Wer ist wirklich frei? Unser persönlicher Glaube ist meist voller Abhängigkeiten und Vorurteile. Er ist auch ständig im Wandel und bedarf der kritischen Selbstüberprüfung, der Auseinandersetzung mit seiner Identität. Er bedarf der ständigen Neuorientierung und manchmal der Richtungsänderung. Schnurgerade Wege zur Selbsterkenntnis sind eher selten und man muss sich vor denen hüten die solche geraden Wege versprechen.

Vielleicht ist es das, was Sie gerade beschäftigt: Sie fühlen, dass das, was Sie damals bei der mutigen Entscheidung für die Konfirmation geglaubt haben, nicht mehr mit dem übereinstimmt, was Sie heute glauben. Ihr persönlicher Glaube hat sich verändert. - Dazu kann man Sie beglückwünschen, denn es wäre fatal, wenn Sie beim damaligen Glauben stehen geblieben wären. - Sie schrieben ja den Brief am Heiligabend, an dem die Kirchen voll sind wie sonst nie im Jahr. Könnte das nicht damit zusammenhängen, dass viele Menschen da ihren unveränderten Kinderglauben von damals wieder zu finden suchen? Damals war alles noch so schön und stimmig. Der Rest ihrer Persönlichkeit hat sich weiterentwickelt und von dem Kinderglauben abgespalten. Man kann Ihnen deswegen gratulieren, weil Sie mit Ihren unruhigen Fragen nach dem Glauben vielleicht die Chance bekommen, das was sich verändert hat ganzheitlich und ungespalten in Ihre Persönlichkeit einzubringen. Erwachsene Menschen müssen auch einen "erwachsenen" Glauben finden. Das können sie nur, wenn Sie (meist nicht ohne Schmerzen!) von ihren Kinderglauben losgelassen haben. Loslassen heißt nicht ausradieren. Da Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sondern vollwertige Menschen, ist auch ihr Glaube vollwertig. Aber als Erwachsene muss der Glaube anders werden.

Wir stellten vorher fest, dass hinter dem Wort "Glauben" zwei Welten stecken: Einmal die Welt des persönlichen Glaubens, den wir mit allen Sinnen leben. Dieser Glaube ist bei genauer Betrachtung bei jedem Menschen anders, weil wir Individuen sind. Individuum bedeutet, dass jeder Mensch eine "einmalige Ausgabe" und unverwechselbar ist. Es gibt folglich so viele persönliche Glauben, wie es Menschen gibt. Zum Glück ist aber der Mensch nicht nur ein einmaliges Individuum, sondern auch ein Wesen der Gemeinschaft. (Unter Gemeinschaft versteht man Familie, Sippe, Clan, Volk, Partei, usw.) Er könnte allein gar nicht leben und muss sich an die Gemeinschaft anpassen. Würde er sich bei der Suche nach seinem Glauben nicht auch an anderen orientieren, hätte sich die Menschheit wohl schon lange ausgerottet - in Glaubenskriegen. Dieses wesentliche Zugeordnetsein des Individuums zur Gemeinschaft erklärt auch die ständige Spannung des persönlichen Glaubens zum Glauben der Gemeinschaft. Das ist die zweite Welt des Glaubens, mit der Sie sich in Ihrem Brief konfrontiert fühlen, und über die man reden muss, um ihn zu beantworten.

Gemeinschaften bilden bekanntlich gemeinsame Merkmale aus. Jede Gemeinschaft hat eine besondere Kultur, könnte man sagen. Dazu gehören Lebensstil, Lebensart, Gebräuche und Sitten, Moden, Stile und Kunst, Mentalitäten, Weltanschauungen und Ideologien. Dazu gehören auch die Religionen und damit auch der Glaube. Um den Glaubensmeinungen der Individuen ihre gemeinschaftsgefährdende Kraft zu nehmen und um andererseits die Individuen vor intoleranten Doktrinen der Gemeinschaften zu schützen, haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte Institutionen ausgebildet wie Parteien, Religionsgemeinschaften und Kirchen. Sie sorgen dafür, dass die persönlichen Glaubenseinstellungen der Individuen Orientierung und Korrektiv bekommen. Das geschieht durch Festlegen und Vorschreiben des Glaubens und dadurch, dass diese Institution versuchen dem subjektiven Glauben der Individuen mehr "Objektivität" zu geben. Viele Augen erkennen besser als eines. Diese Institutionen versuchen (im Idealfall) in einer dialogischen und öffentlich überprüfbaren Weise so der "Wahrheit" näher zu kommen. Sie geben die Grenzen der Glaubensfreiheit innerhalb dieser Gemeinschaft vor und definieren, was "wahr" ist. Wohlgemerkt: um beide, Individuum und Gemeinschaft, zu schützen! Man kann also verkürzt sagen, dass zum Glauben der persönliche Glaube und der Glaube einer Gemeinschaft gehört. Beide müssen sich ergänzen und stützen. Sie müssen ausgewogen sein. Das geht freilich bei erwachsenen Menschen nicht von selber. Man muss daran arbeiten, sich informieren, diskutieren, sich und die Gemeinschaft in Frage stellen, aber sich auch gegenseitig bestätigen. Und das ist ganz wichtig: Zu einem Glauben mit allen Sinnen gehört Lebensfreude und emotionale Geborgenheit. Das ist auch der Grund warum es in allen Religionen Feste und Feiern gibt. Sie sind manchmal wichtiger als Predigten. Jesus hat uns seine Lebensfreude vorgelebt, wenn er mit Zöllnern und Sündern aß und trank. Er versteckte sich nicht im Keller, um zu lachen, und lief nicht mit Leichenbittermiene in schwarzen Kleidern herum. Wir Christen wären überzeugender, wenn wir in unseren Gemeinschaften unseren Glauben mit allen Sinnen leben würden und Lebensfreude zeigten!

Zurück zum Glauben der Gemeinschaft: Während beim Individuum der Prozess des persönlichen Glaubens in ständigem Wandel ist, scheint dies bei den Glaubensgemeinschaften und Religionen fast entgegengesetzt zu laufen. Um den Individuen vieler Generationen Identifikationsmöglichkeiten und Orientierung geben zu können, muss dieser Prozess bei den Institutionen langsam laufen. Wenn freilich diese Institutionen den Wandel der Individuen in der Gesellschaft nicht wahrnehmen oder akzeptieren wollen, kann es sein, dass sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Die Menschen verstehen sie nicht mehr, ihre Sprache wird fremd, ihre Kultur, ihr Kult wird museumsreif und damit ihre Botschaft unverständlich. Die Menschen bekommen dann Schwierigkeiten mit ihrem Glauben, "emigrieren" aus den Gemeinschaften und suchen sich ihre Heimat und Geborgenheit anderswo, manchmal bei Ersatzreligionen. Die in den Glaubensgemeinschaften Bleibenden rufen dann manchmal nach dem unveränderten Altgewohnten und die Religionsgemeinschaften reagieren mit Mitteln der Macht und mit strafferen und engeren Glaubensvorschriften. Solche fundamentalistischen Strömungen kann man derzeit in allen Religionen beobachten.

Mit diesem Problem schlagen sich die christlichen Kirchen schon fast 2000 Jahre herum. Das frühe Christentum der ersten Jahrhunderte war in seiner Ablösung vom Judentum eine Art Revolution, weil es eine ganz neue Lebensart und einen ganz neuen Glauben brachte. Seit den Zeiten der frühen Christenheit hat sich aber sehr viel verändert und unmerklich der Zeit angepasst. Immer wieder war das manchen zuviel oder zuwenig. Sie spalteten sich dann ab und blieben entweder beim uralten "Richtigen" oder gründeten Neues und Zeitgemässeres. Ein Beispiel für so eine radikale Neubesinnung im Christentum ist die Reformation im 16. Jahrhundert. Weil vieles im Kult, im Ordnungswesen und in der Verkündigung der alten Kirche nicht mehr verständlich und überzeugend war, forderten die Reformatoren damals zu Recht eine Begründung des Glaubens durch die Heilige Schrift. Die Folgen waren nicht nur eine bedauerliche Spaltung mit schrecklichen Religionskriegen, sondern auch eine Erneuerung des christlichen Glaubens in den alten und neuen Kirchen, die immer noch anhält. Ja, die Reformation barg in sich auch den Samen für die ökumenische Annäherung der Konfessionen, die wir derzeit hoffnungsvoll erleben.

Damit sind wir nach einigen Umwegen wieder bei Ihrem Problem. Sie haben sich seit Ihrer Konfirmation weiterentwickelt, sind altersgemäß kritischer und selbständiger geworden, haben andere Erklärungen und Deutungsmuster für Ihre "Welt". Sie kollidieren womöglich mit der Sprache der Kirche und vielleicht auch mit der Sprache der hebräischen Bibel und der Evangelien. Denn weil die kirchliche Verkündigung auch Rücksicht nehmen muss auf (innovations)ängstliche Menschen mit ihrem jeweiligen persönlichen Glauben, die sich nicht von einem wörtlichen Verständnis der Heiligen Schrift lösen können und wollen, hat sie nicht immer für die breite Schar der Gläubigen in ihren Erklärungen unverständlicher Texte die wissenschaftlichen Befunde mitverkündet - und die Gläubigen leider oft auch in ihrem Kinderglauben gelassen. Bei der Erforschung der biblischen Texte haben nämlich die Theologen herausgestellt, dass die Verfasser der biblischen Texte immer nur eine Sprache anwenden konnten, die für die Menschen der damaligen Zeit verständlich, also der Lebenswelt und Kultur der jeweiligen Gruppen angepasst war. Für die jeweils unterschiedlichen Adressaten der vier Evangelien mussten sie die frohe Botschaft so verkünden, dass sie für diese Menschen glaubwürdig waren. Für die wundergläubigen Menschen des ausgehenden 1. Jh. mit einer z.B. griechischen Kultur war es selbstverständlich, dass ein Prophet oder Messias Wunder wirken konnte. Kranke heilen und übers Wasser laufen konnten ja schließlich die Propheten und Priester der damaligen ("heidnischen") Religionen auch. Und da die Verfasser der Evangelien ja keine wissenschaftlichen Geschichtsbücher und keine kriminalistischen oder medizinischen Tatsachenberichte verfassen wollten, sondern nur den Menschen der betreffenden Kultur ihren begeisterten Glauben an Jesus weitergeben wollten, sind ihre Texte für die damaligen Menschen stimmig. Sie sind auch für uns stimmig, wenn wir uns auf den Kern der frohen Botschaft konzentrieren. Für unseren modernen Glauben ist z.B. das Übers-Wasser-Gehen unwichtig. Für uns moderne Menschen hat die Wissenschaft für vieles Erklärungen gebracht, was damals noch als Wunder betrachtet wurden. Es mag auch für das damalige Erleben der Apostel und Jünger Erklärungen für so manche "Wunder" geben, die zentrale Botschaft über Jesus ist es nicht. Sicher aber seine Botschaft von einem bedingungslos liebenden und barmherzigen Gott, den wir Vater nennen dürfen und der ein Faible für schwache sündige Menschen hat. Zentral ist Jesu Botschaft und Leben auch im Hinblick auf die Menschenwürde und Nächstenliebe und auf den Frieden in der Welt (Bergpredigt!). Hier gibt es im Evangelium für Menschen aller Zeiten und Kulturen immer Aktuelles herauszufinden.

Es geht also darum, unseren wie auch immer geprägten persönlichen Glauben ins Spannungsfeld mit dem Glauben der Gemeinschaft zu halten. Das geht nicht ohne Kritik und Verstand. Glauben ohne Zweifeln ist fragwürdig und eher einer kindlicheren Entwicklungsstufe angepasst. Aber Glauben geht auch nicht ohne das Herz und ohne Lebensfreude. Und es geht auch darum, dass die Glaubensgemeinschaft die Verkündigung des Glaubens der Zeit anpasst. Wenn die Kirchen zu starr an der alten Sprache und am alten Kult festhalten, kann es sein, dass manche Menschen den Inhalt der Botschaft nicht mehr verstehen, abgedrängt werden und nicht mehr glauben können. Die christlichen Kirchen neigen dazu, manchmal dafür ihren Kirchenmitgliedern die Schuld zu geben, weil ja der Glaube nach der Lehre der Kirche ein Gnadengeschenk Gottes sei, das der Mensch ergreifen muss. Vielleicht ist es wichtig, darauf beizeiten hinzuweisen. Aber pauschale Schuldzuweisungen scheitern häufig an den Lebensbedingungen der Individuen. Nicht alle Menschen hatten die zum Glauben nötigen Urerfahrungen machen können. Und wenn Jesus zum Ärger seiner frommen Zeitgenossen immer wieder seine Vorliebe für die Sünder mit ihrem schwachen Glauben gezeigt hat - und eben nicht für die strenggläubigen Pharisäer! - dann gibt das Stoff zum Nachdenken. Das beantwortete ein wenig schon Ihre Frage "wie gläubig muss ich denn sein um die gnade von gott zu erspühren und wo fängt der glaube an??". Wer wie Sie sich Gedanken und Sorgen um seinen Glauben macht und ins Gespräch darüber kommen will, gehört sicher zu jenen, die die Gnade schon haben. An die Gnade müssen wir glauben und hoffen, weil wir sie mit unseren Sinnen nicht sicher erspüren können. Das ist so wie bei der Liebe. Aber wenn Ihnen heute beim Betrachten der Schneelandschaft ein wohltuendes Gefühl durch den Leib geht und Sie denken "Wie schön ist doch die Natur" und ein Gefühl der Dankbarkeit spüren, dann können Sie spüren, dass hier der Glaube anfängt. Das Schöne ist ein Geschenk Gottes, also eine Gnade. Sich freuen darüber und Gott dafür dankbar sein, ist Glaube. Er will geübt und gepflegt werden.

Brechen wir hier heute ab. Wir wünschen Ihnen erholsame Ruhe und Mut zum Nachdenken und freuen uns auf eine Antwort.
Herzlich
Ihr Team von der Kirch am Eck


Am 29. 12. 2005 antwortete uns Herr C.:

schönen guten tag,
vielen vielen dank für diese reichlichen antworten die sie mir zu gesandt haben .
es hat mir wirklich sehr viel aufschluss über einiges gegeben woran ich vorher nie wirklich gedacht habe.

ich bin erst 19 und naja ich weis nich richtig wie ich mit diesem gefühl das ich habe umgehen soll!
wie schon erwähnt habe ich in meinen kreisen niemanden mit dem ich darüber richtig sprechen könnte.

ich glaube daran das es einen jesus gab und das er die botschaft gottes an die menschen gebracht hat...
allerdings kann ich mir nicht wirklich vorstellen das er über das wasser gehen konnte!
also sowas meine ich,ich kann nich alle geschichtlichen punkte in der bibel oder den erzählungen folgen.
ich glaube, und ich glaube wirklich fest daran, das es einen gott gibt,aber ich versuche mir dabei nicht eine person vorzustellen...ich kann mir einfach nich richtig vorstellen wie er sein kann..

ich habe nur angst die gnade nicht zu bekommen dadurch das ich halt nicht immer in die kirche gehe und auch nicht immer bete!
eigentlich habe ich das gefühl das ich meistens dann bete wenn es mir schlecht geht und das macht mir ein schlechtes gewissen.. allerdings bete ich auch darum das es meiner oma und unserem verstorbenem pastor gut geht!

ich würde den glauben gerne näher an mich heranlassen, aber ich weis nicht wie ich das machen soll!?
soll ich öfter in die kirche?
soll ich mehr beten ?!
aber manchmal habe ich keinen drang danach zu beten und wenn ich dann wieder bete erwische ich mich wieder dabei das ich wieder um sorgen rede..oder etwas für meine freundinn erbitte.

nach dem tode zb.kann die seele nicht einfach verschwinden das weis ich und deshalb frage ich mich auch wo sie danach hingeht und das ich für mich ein ganz wichtiger punkt zu sagen ich weiss das danach etwas kommt!
ich möchte nur das ich mein leben etwas mehr dem glauben zuwenden kann aber ich weis nich in wie fern ich das machen soll wie schon erwähnt.
ich habe kein problem vor meinen freunden zu sagen "ich glaube an gott"nur stösst man in meinen kreisen meist nur auf spott!
ich bin links extrem "punk" und da glauben die meisten nur an das was sie wollen und sagen meist nur "son schwachsinn" oder "bist du dumm" deshalb wollte ich bei ihnen rat suchen und bin auch sehr doll dankbar für die reichhaltige antwort!

ich hoffe auf ihre antworten und bin jetzt schon wieder dankbar!
und meine rechtschreibung und wortwahl bitte ich zu entschuldigen :-)

mit lieben grüssen e.


Unsere Antwort:

Lieber E.,
Ihre Antwort hat uns auch ein wenig weitergeholfen. Man kann nämlich nur richtig auf jemand eingehen, wenn man ihn besser kennt.

Beeindruckt hat uns sehr Ihr "nobles" Verständnis des Betens, wenn Sie schreiben, dass Sie ein "schlechtes Gewissen" haben, wenn Sie beim Beten nur an sich denken. Sie haben recht: Beten für andere ist sicher humaner und edler als das Betteln für das eigene Wohlbefinden. Gott weiß ja, was man selber braucht. "Beten ist das Atemholen der Seele", sagt eine alte Weißheit. Das aber heißt wiederum, dass man schon auch mal an sich denken darf, wenn einem "die Luft ausgeht", wenn es einem schlecht geht. Wenn wir so beten, wie Jesus es uns mit dem Vaterunser gelehrt hat, dann dürfen wir Gott als liebenden Vater ansprechen - auch in persönlichen Nöten! Seine Nöte vor Gott tragen - auch ohne Worte - ist Gebet. Ein Gedanke genügt. Denn damit eingestehen wir unsere eigenen Schwächen und anerkennen seine Größe. Wenn wir ihm sagen "Schau, ich hab leider wieder einmal Scheiß gebaut, Du könntest mir aber helfen!", ist das ein besseres Gebet, als wenn einer betet "Erleuchte mich, lieber Gott, damit ich heute im Mathetest eine Eins bekomme!" Das Mathegebet ist vielleicht gar kein Gebet, sondern nur ein lächerlicher Versuch, Gott in seine Dienste zu nehmen, ihn zu instrumentalisieren. - Und wenn es schon ums Betteln geht: Man kann auch wie ein bekannter Heiliger zu Gott sagen "Meine Probleme mit dem Glauben kennst Du. Hilf doch meinem Unglauben!"

Man kann im Gebet auch ohne viel Worte seine Freude vor Gott tragen. Wenn Sie z.B. Augenblicke des Glücks mit Ihrer Freundin erlebt haben, können Sie ihm "sagen", wie dankbar sie sind. Sie haben dann das erfahrene Glück ihm zugeschrieben, als sein Geschenk, als seine Gnade angenommen. Wenn es Ihnen gelingt, möglichst oft solche kleinen Akte der Dankbarkeit Gott zuzuwenden, dann haben Sie den Glauben ganz im Sinne Jesu. Denn ihm ging es nicht um intellektuelle Glaubensleistungen - das taten die Pharisäer, die er ja kritisierte, sondern um den Glauben des Herzens, wie das die Kinder noch können. Dieser Glaube des Herzens nimmt dankbar die kleinen Dinge des Lebens an, freut sich über das Schöne und drückt Gott dafür Dank aus. Dazu braucht man keine großen Worte. Dazu braucht man aber auch keine Schau und kein Publikum. Ihre Punkfreunde könnten das auch nicht verstehen - oder vielleicht doch? - So eine schlichte und dankbare Annahme des Lebens mit seinen Freuden ist Glaube. Wenn man das kann, hat man auch Chancen, Leiden, Schmerzen, Krankheit, Ungerechtigkeit und Unglück anzunehmen. Das ist freilich schwerer - und manchmal dürfen wir mit Gott auch "streiten". Gute Väter wie Gott machen da gern mit, ohne ihre Kinder zu strafen. Genau das ist die Frohbotschaft Jesu. Sie ist wichtiger als die Wundergeschichten; von denen wir bei der letzten Antwort gesprochen haben.

Ein kleines Wort noch zu Ihrer Bemerkung, dass Sie Angst haben, die Gnade nicht zu bekommen, wenn Sie dieses oder jenes nicht erfüllen, was Sie zu tun hätten. Diese Angst spürt man an verschiedenen Stellen Ihrer Mails. - Die vier Schriften über Jesus heißen deswegen "Evangelien", weil sie den Menschen die Angst vor einem strafenden und rächenden Gott nehmen. Evangelium kommt aus dem Griechischen "euangelion", die frohe Botschaft. Die Botschaft über Jesu war damals neu und froh machend, weil er immer wieder verkündete, dass er nicht für die Frommen, sondern für die kleinen, schwachen Menschen, für die "Sünder" gekommen sei, weil er den Menschen die Angst nahm. Diese frohe Botschaft gilt auch noch für uns; wir müssen sie nur annehmen. Wenn es Ihnen gelingt zu glauben, dass diese Botschaft stimmt und auch für Sie da ist, haben Sie keinen Grund mehr, Angst zu haben. Vielleicht ist das der richtige Anfang, den "Glauben näher an sich heranzulassen".

Wir haben nun wieder viel über den Glauben und ein wenig über das Beten gesprochen. Ihre Fragen über das Leben nach dem Tode sind noch nicht beantwortet. Ihre eigene Antwort zeigt ja, dass Sie an eine unsterbliche Seele glauben. Sie fragen sich aber, was mit den Seelen nachher geschieht. Diese quälende Frage stellt sich die Menschheit immer schon. Niemand hat bisher überprüfbare Auskünfte aus dem Jenseits bekommen. Antworten dazu kann man nur als Glaubender finden. Was dazu in den heiligen Schriften steht, sind Aussagen des Glaubens geschrieben für die damaligen Menschen mit ihren Möglichkeiten des Verstehens. Aber auch da ist es schwierig, sich etwas vorzustellen. Wir stellen uns sicher als moderne Menschen das Jüngste Gericht, die Hölle und den Himmel anders vor als die Menschen zu Jesu Zeiten. Aber brauchen wir eigentlich präzises Wissen darüber? Und brauchen wir unbedingt massive Drohungen, um als gute Menschen zu leben? Jesu Botschaft ist eine Frohbotschaft und keine Drohbotschaft. - Wir sind wieder beim Glauben angelangt. Denn mit unserem Glauben an einen bedingungslos liebenden Gott öffnet sich die Zukunft als untrennbar zur Gegenwart. Wir sterben in das Leben und in die Liebe Gottes zurück. Wir vertrauen auf ihn. Sie können auch auf ihn vertrauen, dass er Ihre Oma in sein Leben aufgenommen hat.

Damit schließe ich für heute. Es würde mich freuen, wenn wir wenigstens einige Ihrer Fragen beantworten konnten. Im Übrigen finden Sie vielleicht in den früheren Antworten an andere Fragenden Auskünfte, die Ihnen weiterhelfen. Und wir freuen uns immer auf Ihre Reaktion.
Wir wünschen Ihnen Freude an einem Glauben mit allen Sinnen.


 


 
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