Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 10. November 2004 schrieb uns Frau D.:

Subject: Kommunionsempfang

Hallo,
es freut mich sehr, dass es im Internet die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen, die mich beschäftigen.
Es fällt mir allerdings schwer, die richtigen Worte zu finden, um meine Fragestellung zu formulieren.
Ich habe einen Freund, der sehr nach den religiösen Werten und Vorgaben lebt. Das finde ich ja prinzipiell in Ordnung, weil es etwas schönes ist, Christ zu sein.
Allerdings haben wir eine große Auseinandersetzung bei dem Thema Kommunionsempfang.
Er nimmt Sonntags in der Messe keine Kommunion entgegen, mit der Begründung, nicht völlig frei(sündenfrei) zu sein, da er vorehelichen Geschlechtsverkehr hat.
Im Evangelium (leider kenne ich die Stelle nicht) wäre davon die Rede.
Nun, ich fühle mich mit dieser Äusserung im Grunde genommen auch betroffen und verurteilt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott darüber urteilen würde.
Oder ist er schlicht und einfach im Recht?
Ich hätte gerne eine Diskussionsgrundlage oder Argumente, dir mir helfen, damit umzugehen.
Vielen Dank fürs Lesen/Zuhören
D.

Unsere Antwort:

Liebe Frau D.

vielen Dank für Ihren mutigen Brief. Sie bitten um eine Diskussionsgrundlage bei einem heiklen Thema, das man aber zuerst ganz behutsam bei sich selber klären sollte. Beim Kommunionempfang geht es um sehr persönliche Glaubenseinstellungen, die sich nicht über einen Kamm scheren lassen und nur mit sehr viel Respekt und Behutsamkeit mit anderen diskutiert werden können. Das gilt freilich auch für unser sexuelles Leben. Meine Antwort gilt also zunächst für Ihre eigene Klärung hinsichtlich Ihrer eigenen Haltung zur Kommunion und Sexualität.

Beginnen wir mit Ihrer Schlussüberlegung zur Frage nach der Richterrolle Gottes: Als Christen haben wir das Gottesbild Jesu, das damals in seiner jüdischen Umgebung Anstoß erregte und den Menschen Hoffnung und Freiheit brachte. Er sprach von Gott als unserem Vater, der uns Menschen bedingungslos liebt. Das ist die zentrale neue Botschaft des Evangeliums. Darum heißt sie Frohbotschaft und nicht Drohbotschaft. 'Gott liebt seine Schöpfung ohne Bedingungen' bedeutet, dass er uns liebt auch wenn wir nichts bringen und dafür leisten; er liebt uns auch wenn wir nicht "brav" sind. Er liebt in gleichem Maße Gute und Böse, Sünder und Fromme und solche die sich dafür halten oder nicht.

Wenn Sie insbesondere das Johannesevangelium lesen, finden Sie die Belege für diese Glaubenshaltung: Gott ist die Liebe, die sich selbst verschenkt. "Gott kann nur lieben" ist der Titels eines wunderbaren Briefs von Roger Schutz, den Sie auf unserer Homepage unter "Texte" finden. - Das "Wort ist Fleisch geworden" bedeutet ferner nach dem christlichen Glauben nicht nur die Menschwerdung Gottes in Jesu, sondern auch, dass er in uns, in jedem Menschen lebt. Jesus ist unser Bruder. Darum kann Paulus auch sagen, dass wir "Tempel Gottes" (1 Kor 3,16 und andere Stellen) sind, also Behausungen, in denen Gott wohnt.

Wenn wir davon überzeugt sind, dann hat das natürlich Konsequenzen: Wir werden unseren Leib entsprechend lieben und in Ehren halten, schön machen, "sauber" halten, gelegentlich ausfegen (Tempelreinigung!). Aber was beschmutzt unseren Leib? Über Reinheit und Unreinheit hat uns Jesus in Mk 7, 1-17 deutliche Worte hinterlassen: Nichts was von "außen" in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern seine eigene Haltung und Einstellung. Das gilt aber auch für die Sexualität. Nicht die Sexualität beschmutzt den Menschen, denn diese ist ja von Gott so geschaffen und gewollt. Und sie ist wahrhaftig ein Wunderwerk der Schöpfung, nicht nur zur Fortpflanzung, sondern eben auch und nicht zuletzt zur Lust. Gott ist da mit im Spiel. Gott, der die Liebe ist, ist auch in unserer Leiblichkeit, also auch in unseren Gefühlen, in unserem Lustempfinden. Sie müssen das in tiefer Dankbarkeit durchdenken. Das ist im Christentum seit Jahrhunderten Thema der Mystik. Leider hat das Christentum sich nicht immer an die Botschaft Jesu gehalten und unter dem Einfluss anderer Mentalitäten, Philosophien und Kulturen gerade in der Frage der Leiblichkeit und Sexualität eine manchmal sehr abwertende Haltung zum Leib entwickelt und die Sexualität mit Tabus belegt. Noch in der letzten Generation sprach man in christlichen Kreisen kaum über Sexualität, obwohl sie jeder hatte. Alles unter der Gürtellinie war tabu.

Was beschmutzt unseren Leib? In der Heiligen Schrift ist da immer die Rede von Unzucht. Im Neuen Testament heißt es in den offiziellen Übersetzungen "Unreinheit" und "Ausschweifung". Unter Unzucht versteht man in unserem Sprachgebrauch jede Art von Sexualität, die nicht den geltenden Normen entspricht. Von vorehelichem Verkehr ist aber in der Heiligen Schrift nirgendwo die Rede. Das Judentum hatte eine ganzheitliche Vorstellung vom Leib (in der Sprache des Alten Testaments "Fleisch"): Seele und Körper waren eine untrennbare Einheit. Und obwohl das Judentum einer patriarchalischen orientalischen Kultur angehörte, in der Frauen verheiratet wurden, hatte es eine Vorstellung von zärtlicher Partnerschaft (lesen Sie das Hohe Lied im AT!). Das Problem des vorehelichen Geschlechtsverkehrs stellte sich nicht, weil mit dem Eintritt der Geschlechtsreife die Heirat angesagt war. Unverheiratet zu sein wurde von der jüdischen Gesellschaft negativ gesehen. Die Kinder wurden, wie auch heute noch in orientalischen Gesellschaften, oft in ganz frühen Jahren "versprochen", verlobt. Man kann annehmen, dass der "voreheliche" Verkehr toleriert war; sonst wäre er ausdrücklich beim unzüchtigen Verhalten aufgeführt worden. Auch die damaligen Jugendlichen waren schließlich nicht aus Holz. - Darum ist es müßig im Alten oder Neuen Testament Belege für ein Verbot oder Nichtverbot des vorehelichen Verkehrs zu suchen. Es galten damals andere Sexualnormen.

Sexualnormen werden von der Gesellschaft aufgestellt. Normen haben meist eine lange menschliche Erfahrung im Hintergrund und haben oft eine Schutzfunktion. Da Jesus Jude war, galten für ihn die Normen seiner Zeit. In Mt 5,27-32 revidiert er diese und definiert den Ehebruch neu: Er vollzieht sich im Herz und nicht erst bei vollzogener Tat. Das war ihm wichtig. Die Unreinheit spielt sich also im Herz ab (vgl. oben). Wir beschmutzen unseren "Tempel" durch Unzucht in unserer Phantasie, könnte man vorsichtig folgern. Seine Revision des Ehebruchs zielte auch auf eine größere Achtung der Frau und auf partnerschaftliche Beziehungen in der Ehe; Frauen konnten in der patriarchalischen Gesellschaft wie ein Objekt aus der Ehe entlassen werden.

Die Entwicklung von Sexualnormen in den jeweiligen Gesellschaften hängt auch vom Stand des Wissens und den einschlägigen Möglichkeiten der Geburtenkontrolle ab. Die Sexualforschung und die Anthropologie haben viele Fragen zur Sexualität des Menschen gelöst, die zu einer Revision der Sexualpädagogik geführt haben. Man könnte das Ergebnis in der hier gebotenen Kürze so darstellen:
1. Menschliches Sexualverhalten hat zwei Funktionen: Fortpflanzung und Lustgewinn. Beide sind zwar aufeinander bezogen, haben aber je ihren eigenen Wert für sich. Sexualerziehung (auch christliche!) muß also auf verantwortungsvolle Elternschaft erziehen (dazu gehört die Familienplanung) und die Befähigung zu verantwortungsvoller Partnerschaft, Genuss und Liebe. Eine solche Erziehung muß frei von Angst und Tabus sein. Dazu gehören auch Sünde, Todsünde und Androhung von Höllenstrafen. Mit diesen Mitteln wird der Mensch zu keinen freien und gewissenhaften Entscheidungen und verantwortlichem Handeln befähigt.
2. Sexualnormen berühren heute mehr den Bereich der nachhaltigen Verantwortung und der menschenwürdigen Partnerschaft. (Partnerschaft schließt den Missbrauch von Kindern und Unmündigen aus!) Daraus folgern sich zwei Normen: 1. Zeuge kein ungewolltes Kind, für dessen Leben Du Dich nicht verantwortungsvoll und menschenwürdig kümmern kannst. 2. Nimm Rücksicht auf die Gefühle, das Glück und die Gesundheit Deines Partners. - Fehlverhalten bedeutet also Geschlechtsverkehr ohne Verhütungsmittel, wenn das Aufziehen von Kindern nicht möglich ist. Das kann Jugendliche betreffen, aber auch Erwachsene in und außer der Ehe in entsprechenden wirtschaftlichen (oder gesundheitlichen) Umständen. Fehlverhalten bedeutet Geschlechtsverkehr mit Gewaltanwendung und ohne die Zustimmung des Geschlechtspartners, jede Art von egoistischen Verhalten in Partnerschaften, das nur eigene Befriedigung sucht und den Partner instrumentalisiert (Fehlen von Zärtlichkeit!). Das betrifft alle Altersstufen. - Fehlverhalten ist schließlich verantwortungsloser Geschlechtsverkehr sexualkranker Menschen ohne entsprechende Verhütungsmittel.

Haben wir Christen andere Normen? Christliche Sexualmoral hatte bislang unter dem Einfluss verschiedener Philosophien leibfeindliche (dualistische) Tendenzen, die selbst die zur Zeit Jesu geltenden Normen noch verschärften: Sexualität wurde zu sehr zum Zweck der Fortpflanzung und zu wenig unter dem Aspekt der (vom Schöpfer gewollten) Lust und partnerschaftlichen Liebe gesehen. Christliche Moral müsste diesen oben beschriebenen "profanen" Normen im Hinblick auf Verantwortung für das Leben und der liebenden Partnerschaft folgen. "Sünde" wäre dann ein Fehlverhalten in diesem Sinne. - In der christlichen Tradition hatte man ja meist die "Fleischessünden" als "schwere Sünden", "Todsünden" eingestuft. Vorehelicher Verkehr als solcher war schwere Sünde, ganz unabhängig von der Absicht der Handelnden und den Umständen (z.B. Verantwortlichkeit und Partnerschaftlichkeit, s. oben!) Nach unseren heutigen Diskussionsstand ist eine solche Einstufung fragwürdig und vielleicht sogar nicht im Sinne Jesu. Die (in der Anwort zum 6.12.2002 besprochene) Geschichte mit der Ehebrecherin gilt nämlich auch für den vorehelichen Verkehr. Wenn junge Menschen verantwortungsvoll und partnerschaftlich mit ihrer Sexualität umgehen, wird auch Jesus sie nicht verurteilen. Ich glaube sogar, dass er sie liebevoll umarmen würde.

Mit dieser Grundeinstellung können wir nun über den Kommunionempfang sprechen. Jeder muss sich da selber prüfen. Wenn die Gewissensprüfung kein sexuelles Fehlverhalten ergibt, gibt es auch keinen Grund, nicht zur Kommunion zu gehen. Denn die Kommunion, das Abendmahl, ist auch Speise und sakramentale Stärkung. Gerade darum brauchen wir dieses Sakrament, dass wir schwachen Menschen in unseren Partnerschaften zu einer immer tieferen und erfüllten Liebe finden - und dazu gehört ganz besonders ein glückliches Sexualleben. Wer ist schon ohne Schwächen und Fehler? Aber hat nicht Jesus gerade mit Zöllnern, Prostituierten und Sündern Mahlgemeinschaft gepflegt? Er ist der gute Hirte für die Schwachen. Für uns.


Ich hoffe, Sie haben nun Stoff zum Nachdenken. Ich wünsche Ihnen viel Freude an Ihrer Leiblichkeit.


 

 


 
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